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Kaffeklatsch auf der Behindertentoilette

Letzte Woche war ich bei einem großen Dienstleistungsunternehmen in der Geschäftsführungsetage zu einem Termin. Im Anschluss an das Meeting bot mir mein Gesprächspartner noch einen Kaffee an und wir gingen in die Behindertentoilette. Nun, nicht ganz. Der Raum, in dem jetzt die Kaffeeküche ist, war bis vor kurzem die Behindertentoilette. Sie wurde aber schon vorher als Kaffeküche missbraucht. Nachdem die Nachfrage nach Kaffee in einem angenehmen Ambiente immer größer wurde, baute man schnell mal die Toilette ab- und eine richtige Kaffeeküche ein. Richtig praktisch.

„Wir haben ja keine Behinderten bei uns.“ sagte mir eine Führungskraft aus dem Unternehmen. „Woher wissen Sie denn das?“ war meine spontane Frage darauf. „Na bei uns gibt es niemanden im Rollstuhl.“ Ups, da wollte ich dann doch nicht weiter fragen, denn dann hätten wir den Teufelskreis gleich entdeckt.

Behinderte gelten in der Arbeitswelt wie in der Gesellschaft noch als notwendiges Übel und Kostenfaktor. Behindertentoiletten werden nur gebaut, weil Bauvorschriften dies verlangen und nicht, weil man sie braucht um wertschätzend mit den Mitarbeitenden und Kunden umzugehen. So werden immer noch Büro- und Firmengebäude gebaut, die nicht barrierefrei zugänglich sind. Da sind die Eingänge und Empfangshallen richtig pompös, aber Rollstuhlfahrer und gehbehinderter Menschen müssen einen versteckten Seiteneingang nehmen. Die Außenterrasse in der Kantine ist naturbelassen und für Rollstuhlfahrer nur über eine gekieste Rampe (un-?!?)erreichbar. In Theatern und Konzertsälen finden sich Plätze für Rollstuhlfahrer teilweise hinten an der Seite mit eingeschränkter Sicht. Warum sollte nicht jeder einen Anspruch auf gute Sicht haben? Manche Unternehmen wählen rot und grün als Unternehmensfarben und pflastern damit ihre PowerPoint-Präsentationen voll. Und das, obwohl in unserer männerdominierten Welt vor allem Männer von „rot-grün-Blindheit“ betroffen sind. Aus Brandschutzgründen müssen Türen in Gebäuden fest schließen, nur wie soll eine schwächere Person oder ein Rollstuhlfahrer die Türe öffnen?

Es gibt leider immer noch viele Arbeitgeber, die keine Möglichkeiten sehen für eine Sekretariatsposition eine Dialysepatientin einzusetzen, die selbst bei höherer Qualifikation eines behinderten Bewerbers sich für die nicht-behinderte Bewerberin entscheiden. Da nimmt man lieber in Kauf die Ausgleichsabgabe zu zahlen. Andere Arbeitgeber sind hier schon weiter, weil Sie sich offen mit dem Thema auseinandersetzen und ihre inneren Widerstände bereits abgebaut haben. So gibt es Blinde, die bei der Entwicklung einer Software gewirkt haben, dass Blinde Webseiten lesen können. Aber auch Gehörlose in Ladengeschäften, die dann wieder neue Gehörlose anlocken, weil Sie diesen Kunden „Gehör“ schenken können. Mobilfunkbetreiber, die für Hörgeschädigte sms-Flatrates anbieten ohne diese an Sprachtelefonieoptionen zu koppeln. Behinderung ist nicht gleich Kostenfaktor, Behinderung ist in diesen Fällen klarer Business Case.

Der Umgang mit Behinderung ist gerade wegen der Vielfalt nicht immer leicht. Ich gebe zu, ich tue mir in manchen Fällen auch noch schwer. Aber mit Ignoranz wird ein Unternehmen keinen Kunden oder Mitarbeiter gewinnen. Nur mit einem offenen Umgang mit dem Thema und einer selbstkritischen Auseinandersetzung. Ein offener Umgang mit Randthemen in der Öffentlichkeit lässt jedoch auf eine tolerante und wertschätzende Unternehmenskultur schließen.

Beim Verlassen des Hauses ist mir dann aufgefallen, dass bei dem Dienstleistungsunternehmen, welches nebenbei sein Beratungsangebot ganz stark auf alle Bereiche von „Sicherheit“ fokussiert, im Erdgeschoss noch eine Behindertentoilette ist, die nur aufgrund von Bauvorschriften entstand. Ich kann nur hoffen, dass die Kaffeenachfrage nicht noch größer wird.

Auf der Rückfahrt in mein Büro stand dann eine Rollstuhlfahrerin mit Migrationshintergrund – wie man heute so schön zu sagen pflegt- an der Straßenbahnhaltestelle und wollte den öffentlichen Nahverkehr nutzen. Der Fahrer des MVV hielt an, öffnete schnell die Türe und begrüßte die Rollstuhlfahrerin herzlich, half der Dame in den Wagen und lächelte ihr zu. Beim Aussteigen das gleiche angenehme Szenario. Dabei hätte er auch von seinem Fahrersitz aus die elektrische Rampe ausfahren können, ohne sich mit dem Fahrgast abzugeben. Gut, dass es auch andere Beispiele gibt.

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