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Wie behindert ist die Arbeitswelt – Teil 2

Vor kurzem war ich auf einer Konferenz zum Thema „Auswahl und Beurteilung von Führungskräften in der Wirtschaft“. Ein spannendes Thema mit wirklich guten Vorträgen und Diskussionen.  Es ging dabei zu großen Teilen darum wie man Benachteiligungen aufgrund von Geschlecht abbauen bzw. verhindern kann. Wie wir aus verschiedenen Studien wissen, verhindern diese nachweislich, dass Frauen Karriere machen können.

Spannend fand ich einen jungen Herrn, den ich auf der Veranstaltung kennengelernt habe. Er stellte dort seine Diplomarbeit vor, in der es um ein Dreieck von Diversity Management, Behinderung und Führung geht. Sehr viele Diversity-Konzepte befassen sich demnach auch mit dem Thema Behinderung. Bei manchen Unternehmen eher weil Sie es aufgrund von SGB IX machen müssen, bei anderen aus der Überzeugung heraus, dass Sie durch die Einstellung von Menschen mit Behinderung einen echten Mehrwert erzielen. Zu diesem Thema war ja SAP vor Kurzem in der Presse, weil Sie verstärkt Autisten für die Software-Entwicklung einstellen wollen.

Mein junger Gesprächspartner hat in seiner Diplomarbeit die Frage aufgestellt, ob Behinderung und Führung zwei sich ausschließende Kriterien sind. Es gibt nach seiner Ansicht viele Konzepte von Diversity wie man für Menschen mit Behinderung eine Umgebung schafft, dass Sie voll in die Prozesse und Unternehmenskultur eingebunden sind. Allerdings gibt es keine Konzepte und Untersuchungen rund um die Führungsqualitäten von Menschen mit Behinderung. Welche Eigenschaften haben Führungskräfte mit Behinderung? Hat diese Personengruppe aufgrund ihrer Biographie Kompetenzen, die andere nicht, oder nur selten haben?

Ich finde den Ansatz der Diplomarbeit sehr gut. Zeigt er doch auf, dass unsere Diversity-Konzepte noch um einiges weiterentwickelt werden müssen. Ausschließlich beim Thema Frauen gehen die Diskussionen ganz offen um Führungspositionen. Beim Thema sexuelle Identität spricht man dieses Thema aus meiner Erfahrung nur sehr indirekt an, um noch größere Widerstände zu vermeiden. Beim Thema Behinderung werden Menschen schnell auf ihre körperlichen oder geistigen Defizite reduziert statt zu schauen, was die individuelle Person aufgrund der persönlichen Situation mitbringt. Würde aber ein gutes Management der Vielfalt in der Belegschaft und damit ein offener Umgang mit Unterschiedlichkeit nicht automatisch auch zu mehr Vielfalt jeglicher Art in Führungspositionen führen?

Der besagte junge Mann musste die Erfahrung mehrfach machen, dass man an ihm nur die Defizite sah. Weil er taub ist, traut ihm keiner eine einwandfreie Kommunikation mit der Außenwelt zu. „Wie soll ich das denn einem Kunden verkaufen“ musste er sich von einem Personaler anhören lassen. Wer den Herrn kennengelernt hat, stellt schnell fest, dass er sehr redegewandt ist. Was er nicht kann, ist hören, aber er kann Lippen lesen. Ich kann mir gut vorstellen, dass man den jungen Mann mit seinem Hochschulabschluss im „normalen“ Kundenkontakt einsetzen kann. Allerdings müsste man dazu mit den Kunden darüber sprechen…und vielleicht das eine oder andere Telefonat durch ein persönliches Gespräch ersetzen. Ich denke nicht, dass das zu viel verlangt ist.

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