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Mehrsprachigkeit durch Inklusion?

Irgendwie wollte ich es nicht so richtig wahrhaben, dass aus meinem Heimatort in überregionalen Zeitungen und im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zur Hauptsendezeit berichtet wird. Was kann schon so beeindruckendes geschehen, dass aus Mering berichtet wird. Wie man sich denken kann, geht es im weitesten Sinne um Diversity. Die Bundesregierung hatte im vergangenen Jahr beschlossen, dass mehr Inklusion stattfinden muss. Damit ist gemeint, dass behinderte Kinder auf Regelschulen unterrichtet und nicht mehr auf Sonderschulen (heute Förderschulen) abgeschoben werden. Klingt gut und ist es auch. Die 6-jährige Vanessa ist ebenso wie ihre Eltern gehörlos. Um am Regelschulbetrieb teilnehmen zu können, braucht Sie also eine Gebärdendolmetscherin. Und die kostet Geld. Wer diese bezahlen soll, darüber streiten sich seit Monaten die Regierung von Schwaben (als verantwortlicher Kostenträger) und das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus. Beide Stellen schieben die Verantwortung für die Mehrkosten an die andere Seite.

Im Falle der kleinen Vanessa sind es also gar nicht Mitschülerinnen, Mitschüler oder Eltern, die damit ein Problem haben, sondern die Behörden.

Schade bei der Angelegenheit ist, dass bei der ganzen Diskussion über das Geld die eigentlichen Vorteile untergehen. In einem Fernsehbericht war die Rede, dass bis Weihnachten schon die Mitschüler von Vanessa bereits das Gebärdenalphabet konnten. Es ist also davon auszugehen, dass nicht nur Vanessa dank Dolmetscherin mitbekommt was die Lehrerin sagt, sondern so ganz nebenbei die Anderen aus der Klasse die Gebärdensprache lernen.  Klingt auf den ersten Blick ein wenig nutzlos. Aber darin liegt meines Erachtens der Mehrwert von Inklusion. Schülerinnen und Schüler lernen, dass Menschen mit Behinderung Teil der Gesellschaft sind. Damit normalisiert sich der Umgang mit Ihnen. Sie werden offener für die Bedürfnisse anderer. Im Falle der Klasse XX in Mering bedeutet es, dass zukünftig mehr hörende Menschen mit gehörlosen kommunizieren und diesen die Teilnahme am „normalen“ Leben erleichtern können. Dann passiert mir vielleicht so etwas wie vor zwei Tagen bei Sport Schuster an der Kasse zukünftig nicht mehr: eine Gruppe von drei gehörlosen Jugendlichen steht in der Schlange, weil ein Mädchen aus der Gruppe etwas kaufen wollte. Die Kassiererin sprach einfach drauf los und hat sich gewundert warum keine der drei Personen auf ihre Fragen ob eine Tragetasche benötigt würde reagiert hatte. Als die Kassiererin verstand woran die Kommunikation scheiterte, nutzte sie zusätzlich ihre Hände und „zeichnete“ eine Tüte in die Luft.

Ich würde mich freuen, wenn die Behörden beim Thema Inklusion nicht nur Probleme und Kosten sehen, sondern auch die vielen finanzielle nicht-messbaren positiven Veränderungen in der Gesellschaft.

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