So nicht Herr Knopf!
Heute fand in Berlin die 4. idm-Jahrestagung statt. Es war eine kleine aber sehr spannende Veranstaltung, weil versucht wurde Diversity nicht nur von der Business Seite zu beleuchten, sondern auch die Sichtweise der Öffentlichen Hand und Wissenschaft mit einzubauen.
Am Anfang gab es auch eine Präsentation der Charta der Vielfalt. Diese sehr erfolgreiche Initiative von Daimler, Deutsche Bank, Deutsche BP und Deutsche Telekom, war in den letzten Monaten nicht mehr sehr sichtbar, da die Finanzierung für die kommenden Jahre noch nicht gesichert ist. Jetzt aber haben elf Unternehmen beschlossen die Finanzierung zu garantieren damit diese äußerst gelungene Idee aus der Wirtschaft weiter fortgeführt werden kann.
Damit einher geht auch eine Verschiebung des Fokus in Richtung breiter Ansatz. In den vergangenen vier Jahren war die Charta bei Maria Böhmer, Staatsministerin für Integration in Kanzleramt, aufgehangen und litt deswegen unter dem fast reinen Fokus auf der Integration von Menschen mit Migrationshintergrund.
Natürlich ging es dann auch darum wie es weitergehen soll. Was sind die konkreten Projekte, die geplant sind. Für Fragen und Antworten standen Brigit Reinhardt, Vorstand des neu gegründeten Vereins der Charta der Vielfalt, sowie Bernd Knopf, Mitarbeiter aus dem Arbeitsstab von Frau Böhmer und gleichzeitig ihr Vertreter im Vorstand der Charta.
Eine der Fragen, die gestellt wurden war, ob es nicht Sinn machen würde die Charta der Vielfalt auch auf Türkisch zur Verfügung zu stellen. Obwohl es in Deutschland gut 3 Mio. Menschen mit türkischen Wurzeln gibt, sah Herr Knopf keinen Sinn darin, die Charta auch auf Türkisch zu veröffentlichen. „Wir sind hier in Deutschland“ war sein Kommentar.
Da hat Herr Knopf durchaus Recht. Aber sollten wir nicht anerkennen, dass es auch Menschen gibt, die unserer Sprache nicht zu 100% mächtig sind und eine andere Muttersprache haben? Türkisch zum Beispiel.
Immerhin gibt es auf der Seite www.charta-der-vielfalt.de, die nicht die offizielle Seite der Charta ist, eine Übersetzung der Selbstverpflichtung in Dänisch, Englisch, Estnisch, Finnisch, Französisch, Italienisch, Niederländisch, Spanisch und Schwedisch. Und das auch noch im Original Layout der deutschen Version. Warum also nicht auch auf Türkisch?
Nun ja, man mag sich fragen warum der Integrationsgipfel der Bundesregierung so (wenig) erfolgreich ist. Wenn man in genau den kleinen Dingen, die ja gerade Diversity ausmachen, schon so große Fehler macht, kann Integration nicht funktionieren. Integration muss von beiden Seiten kommen. Wir können nicht immer nur von „den Anderen“ fordern, dass sie auf uns zugehen. Auch wir -jeder von uns- können einen Schritt in deren Richtung machen.
Ein kleiner Schritt von Seiten der Integrationsbeauftragten z.B. wäre es darauf hin zu arbeiten, dass es auch eine Übersetzung der Charta auf Türkisch gibt. Damit könnten die Chancen steigen, dass sich auch türkische Unternehmen bzw. Unternehmen in der Hand von Mitbürgern mit türkischer Herkunft um die Unterzeichnung der Charta bemühen und damit die Charta in Deutschland noch erfolgreicher würde. Es könnte aber auch einfach nur sein, dass türkischstämmige Mitarbeiter eines deutschen Konzerns verstehen, was ihr Arbeitgeber unterschrieben hat.
Ich habe mich an dem Tag sehr gewundert, dass ein Mitarbeiter der Integrationsbeauftragten die geringen Kosten einer Übersetzung scheut, um einen kleinen Beitrag für ein Miteinander zu schaffen.
Da scheint mal wieder die Wirtschaft viel weiter zu sein. Da gibt es Unternehmen, die Betriebsvereinbarungen in einfaches Deutsch übersetzen, dass alle Mitarbeiter in der Lage sind ihre Rechte und Pflichten im Unternehmen zu verstehen. Da gibt es Apotheken, die bewusst ausländische Mitarbeiter einstellen, um genau das Klientel in der Landessprache bedienen zu können, das im Umkreis der Apotheke wohnt. Da gibt es ein Unternehmen, welches mit Hilfe eines blinden Mitarbeiters eine Software entwickelt hat, mit der blinde Websites lesen können. Da stellen Unternehmen ihre gleichgeschlechtlichen Mitarbeiter in eingetragener Lebenspartnerschaft mit verheirateten Mitarbeitenden gleich. Das alles nicht aus reinem Gutmenschentum, sondern weil Sie die Skills der Mitarbeitenden schätzen, durch solche Maßnahmen die Mitarbeiter motivieren und dadurch auch nach außen „Employer of Choice“ sind und am Ende auch neue Kunden gewinnen und Märkte erschließen.
Herr Knopf, multi-kulti ist nicht tod, sondern Realität!