Altersschwachsinn
Vor einigen Tagen wurde ich gefragt ob ich für den aktuellen Newsletter des VK wieder eine Diversity Kolumne schreiben würde. Da der Newsletter unter dem Motto „20 Jahre VK“ steht, wollte ich auf das Thema eingehen.
Spontan kam mir das Gespräch mit dem Diversity Manager eines großen Unternehmens in den Kopf. Sie „wollten sich jetzt auch dem Thema ‚Age Diversity‘ widmen, das wäre nach dem Frauenthema am dringlichsten.“ Ich kenne das Unternehmen recht gut und stimmte dem Kollegen soweit zu. Doch dann meinte er: „Wir denken jetzt endlich auch darüber nach unsere Führungskräfte schon mit 58 Jahren in Rente zu schicken, damit Jüngere und Frauen aufsteigen können.“ Da läuteten bei mir die Alarmglocken! Wie geht man denn hier mit Führungskräften um? Nur weil jemand ein gewisses Alter erreicht hat, gehört er doch noch nicht aufs Abstellgleis! Sich im Rahmen von Diversity Management mit dem Thema Alter zu beschäftigen bedeutet nicht, sich nur dem älteren Teil der Belegschaft zu widmen, in dem man sie vor die Türe setzt. Im Gegenteil, es geht darum wie ich meine Mitarbeiter entsprechend ihrer persönlichen Leistungsfähigkeit einsetze, aber auch um das Miteinander der verschiedenen Generationen, die in einem Unternehmen arbeiten. Was können Ältere von Jüngeren lernen – welche Erfahrung können Ältere jüngeren Kollegen weitergeben? Wie stellen sich Unternehmen auf, wenn die Jungen immer weniger und die Älteren bald in Rente gehen wollen?
Viele mögen immer noch nicht so richtig glauben, dass die Folgen des demographischen Wandels zu spüren sind. Diversity Experten drohen ja immer mit dem Damoklesschwert des demographischen Wandels… und insgeheim warten wir, dass er endlich einsetzt und Wirklichkeit wird – wir verlieren ja sonst unsere Glaubwürdigkeit.
Viele große Unternehmen setzen stark auf den Wert ihres Namens und verlassen sich darauf, dass sich weiterhin viel mehr Bewerber als notwendig bei ihnen bewerben. Für mich stellt sich da jedoch dir Frage, ob diese Unternehmen weiterhin die besten Talente am Markt für sich gewinnen können oder lediglich die besten aus dem Pool der eingegangenen Bewerbungen auswählen werden?
Das Gymnasium, an dem ich mein Abitur machte, zählte immer mit zu den wirklich guten und hatte keine Probleme die Klassen voll zu bekommen. Man kann dort sogar die Schüler handverlesen, die aufgenommen werden. Aktuell hat es zum ersten Mal 30% weniger Bewerbungen als in den Vorjahren …und das sicherlich nicht nur, weil es eine katholische Schule ist.
Was hat Age Diversity nun mit dem 20-jährigen Bestehen des VK zu tun? Nun, auch dort unterliegen wir dem demographischen Wandel. Dies sogar in mehrfacher Hinsicht: unsere Gesellschaft altert und die jüngeren Generationen sind in einer Welt aufgewachsen, in der die rechtliche und gesellschaftliche Gleichstellung schon bedeutend vorangeschritten ist. Auch wir stehen vor der Herausforderung, jüngere Führungskräfte für uns zu gewinnen. Aber auch bei uns tut sich ein Wandel: vom geschlossenen Grüppchen, welches sich wegen drohender Diskriminierung zusammengeschlossen hat, hin zu einem beruflichen Netzwerk schwuler Führungskräfte, die selbstbewusst und sicher in der Öffentlichkeit auftreten. Dadurch haben wir in den vergangenen Jahren viele neue interessante Gesichter für den VK gewonnen und hoffen, damit auch weiterhin erfolgreich zu sein. Im Umgang mit älteren Mitgliedern sehe ich ganz viele tolle Beispiele, diese in die regionalen Gruppen einzubinden. Der Verband ist dadurch inhaltlich und qualitativ sehr gewachsen.Da gibt es ganz viel von ihnen zu lernen, aber sie bringen sich auch engagiert ein. Da ist so viel von dem wir alle voneinander lernen können! Wir unterscheiden uns hier nicht viel von einem Unternehmen.
Das Unternehmen, von dem ich oben sprach, ist davon überzeugt, dass aufgrund der Bekanntheit seines Namens auch weiterhin genügend Bewerbungen eingehen werden. Demselben Unternehmen jedoch kehren Schwule den Rücken, weil man ihnen sagte, dass sie als Homosexuelle keine Karriere machen werden. Auch Frauen verlassen das Unternehmen, weil nur wenig Wille da ist, sich auf das andere Geschlecht einzulassen und Arbeitsabläufe sowie Bewertungskriterien so abzuändern, dass auch Frauen eine faire Chance bekommen. Es ist eines dieser Unternehmen bei dem in vielen Köpfen des Top Management nach wie vor das ungeschriebene Gesetz gilt, dass man mit über 40 leitender Angestellter nicht werden kann. Da scheint für mich die Frühverrentung von Führungskräften mehr ein sinnloser Hilfeversuch als eine adäquate Lösung zu sein. Alterschwachsinn!!!