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Von der Unfehlbarkeit des Papstes

23. Februar 2015   |   Allgemein, LGBT

Vor wenigen Tagen erschien die Autobiografie Thomas Sattelbergers. Wer ist dieser Mann? Eigentlich sollte ihn jeder kennen. Er ist einer der großen Personalexperten, wurde mal Papst der Personalentwicklung genannt und hat für die Deutsche Telekom die Frauenquote erfunden. Wer Thomas Sattelberger kennt, oder zumindest Interviews mit ihm gesehen oder gelesen hat, weiß, dass er ein eitler und streitbarer Zeitgenosse ist. So kennen wir ihn und schätzen wir ihn.

2012 ist er aus dem Vorstand der Deutschen Telekom ausgeschieden und in den nach seinen Worten Unruhestand eingetreten. Es hat sich kaum jemand vorstellen können, dass Thomas Sattelberger sich schon zu Ruhe setzt. Nein, dazu kann er noch viel von seinem Wissen mit in Projekte und Institutionen einbringen.

Ich bin sehr an der Biografie Thomas Sattelbergers interessiert, daher habe ich mir das Buch bestellt und jede freie Minute des vergangenen Wochenendes genutzt die knapp 300 Seiten zu lesen. Auch wenn ich kein ausgewiesener HR-Experte bin, habe ich aber sicherlich meine Meinung zu dem wie in Unternehmen geführt wird und erlaube mir daher diesen Blogbeitrag als Rezension des Buches in Form eines Briefes an Thomas Sattelberger zu schreiben:

Lieber Herr Sattelberger,

Zu Anfang das Gute: in den letzten 50 Seite steckt die wahre Qualität Ihres Buches. Allerdings sollten die darin steckenden Inhalte m. E. nicht Inhalt einer Autobiographie sein. Hier schreiben Sie was sich in Bezug auf Personalführung alles ändern muss, damit Unternehmen in Deutschland zukunftsfähig sind: Mehr Vielfalt, mehr Demokratie, mehr Wertschätzung. Eine wirklich gute Abhandlung wie Führung in Zukunft aussehen sollte.

Aber fangen wir beim Titel Ich halte nicht die Klappe an. Der klingt vielversprechend. Am Ende des Buches stelle ich mir jedoch die Frage ob nicht der Titel eher hätte „Von der Unfehlbarkeit des Papstes“ lauten sollen. Ich habe schon lange nicht mehr so viel Narzissmus und Abwertung gegenüber anderen auf 250 Seiten komprimiert gefunden. Man könnte meinen, dass nur Thomas Sattelberger in seinem Berufsleben alles richtig gemacht hat. Gut, ich gebe zu, der letzte Satz war etwas harsch, denn Sie erwähnen durchaus den einen oder anderen Wegbegleiter aus Ihrem Arbeitsleben, den Sie vom Führungsstil oder von der Fachkompetenz schätzen. Sie geben auch zu, dass sich Ihr APO-Engagement negativ auf Ihre Karriere auswirken hätte können (dabei bin ich ja eher der Meinung, dass unterschiedliche Sichtweisen unser Leben bereichern können).

Ich tat mir beim Lesen des Buches schwer damit, wie Sie an mehreren Stellen über den Führungsstil von Herrn Schrempp herziehen. Auch dass Sie Ihre Nachfolgerin bei der Deutschen Telekom, Marion Schick diskreditieren spricht nicht gerade für Sie. Dabei ist es das Los des Vorgängers, dass die Nachfolgerin eben einige Dinge anders macht. Ob besser, das werden andere entscheiden.

Sie sprechen in Ihrem Buch davon wie wichtig Selbstreflexion und Selbsterfahrung bei Führung ist. Dass Sie das für sich selber anwenden, ist mir beim Lesen der 300 Seiten nicht aufgefallen. Sie waren es, der Meisterleistung vollbracht hat, keiner hätte es so gut machen können wie Sie, nur Sie wissen, was gute Führung ist. Lieber Herr Sattelberger, Sie mögen unbestritten gute Personalentwicklungskonzepte entwickelt haben, aber ich bin mir sicher, dass man –zumindest zur Zeit noch- in die Position eines Personalvorstands nur kommt, wenn man auch mal „über Leichen“ geht. Sie hatten, und das geben Sie in Ihrem Buch zu, bei Conti wie auch bei der Telekom die Aufgabe Personal abzubauen und das Unternehmen auf Effizienz zu trimmen. Das geht aus ihrer Position heraus sicher nicht nur im Schmusekurs.

Keine Frage, Sie haben die Frauenquote „erfunden“. Monika Schulz-Strelow, die Präsidentin von FidAR, sagte über Sie auf dem FidAR-Forum IV 2012, dass der „Frauenversteher von Bord geht“. Unter Ihrer Leitung ist Diversity bei der Telekom, aber auch in Deutschland salonfähig geworden. Durch Ihr Engagement wurden auch Themen sichtbar, die bislang bei Diversity eher wenig Beachtung fanden. Sie haben soweit es möglich war das LGBT-Mitarbeiter_innennetzwerk bei der Telekom unterstützt, interessante Projekte gestartet, die Jugendliche ohne Schulabschluss in Ausbildung bringen.

Das was viele meiner Bekannten und mich dazu bewegt hat Ihr Buch zu kaufen, kanzeln Sie mit einem einzigen Satz ab: Ihr Coming out.
Ich kann verstehen, dass Sie in einer Zeit aufgewachsen sind, in der Homosexualität ein klares Karriererisiko bedeutet hat, dass man deswegen sogar ins Gefängnis kommen konnte. Das sind gute Gründe diesen Teil der Persönlichkeit während der aktiven Zeit für sich zu behalten.

In Ihrem Buch schreiben Sie, dass Sie nicht auf inszenierte Coming outs stehen, deshalb hätten Sie es beiläufig auf dem Charity Dinner der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld erwähnt. Ich stelle mir die Frage was Sie hätten noch inszenieren wollen, wo es Doch schon alle wussten? Es ist ihr gutes Recht wann wo und wie Sie ihr Coming out haben. Der Saal letztes Jahr beim Charity Dinner in Berlin bei dem Dinner hat getobt, nicht weil Sie sich geoutet haben, sondern, dass Sie es endlich gemacht haben! Wir waren so stolz auf Sie!

In ihrem Buch allerdings hätte dieser Teil etwas ausführlicher ausfallen dürfen. Wie war es für Sie Beruf und Privat strikt zu trennen? Gab es doch Menschen in Ihrer direkten Arbeitsumgebung, die davon wussten? Wie war der Umgang des Unternehmens mit dem Thema, falls es intern bekannt war? Hatte dieses Verstecken Auswirkungen auf Ihre Beziehungen? Wie ging es Ihnen persönlich damit? Kurz gesagt, mir hat etwas über den Mensch Thomas Sattelberger gefehlt.

Sie hatten das Glück nicht von irgendeinem Neider öffentlich geoutet zu werden, so wie das z. B. Lord Browne, dem ehem. CEO von BP passierte. Der allerdings hat genau das Thema der eigenen Homosexualität in seiner Autobiographie Beyond Business aber auch in seinem im letzten Jahr erschienenen Buch The Glass Closet ausführlich beschrieben; welche Konsequenzen für ihn, seine Gefühlswelt, seine Liebeswelt und seine Arbeit hatte. Er wurde zum Vorbild für viele und setzt sich seither für mehr Offenheit gegenüber Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Trans* Menschen am Arbeitsplatz ein.

Der Platz für das LGBT-Vorbild in Deutschland ist immer noch vakant. Sie haben ihn (noch) nicht eingenommen. Schade, denn es bedeutet auch, dass die Chance, dass sich ein Top Manager in Deutschland, oder auch jemand der in diese Liga kommen will, während seiner aktiven Zeit outet, damit weiter in die Ferne gerückt ist.

Päpste sind eben doch fehlbar.

Ihnen alles Gute

Albert Kehrer

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