zurück

Falscher FOCUS

4. Dezember 2012   |   Allgemein, Gender, LGBT

Nichts ahnend lese ich gestern die aktuelle Ausgabe des FOCUS und schon springt mich eine Karikatur auf Seite 6 an. Links neben der Karikatur stehen zwei Sätze: „Karikaturen aus dem Giftschrank“ und „vom ‚New Yorker‘ abgelehnt, von FOCUS gedruckt.“

Focus vom 3.12.2012

Focus vom 3.12.2012

In der Karikatur sagt ein Vorgesetzter zu seinem Mitarbeiter, dass die Initiative „Vielfalt am Arbeitsplatz“ vorschlägt, dass er sich einer Geschlechtsumwandlung unterziehen soll.

Warum das denn?

Ich tue mich persönlich aus zwei Gründen mit der Karikatur schwer:

1) Die Redakteure des FOCUS scheinen nicht verstanden zu haben worum es in der gegenwärtigen Diskussion um Vielfalt und Frauenquote geht. Warum soll sich ein Mann einer Geschlechtsumwandlung unterziehen? Könnte das Unternehmen damit den Anteil seiner weiblichen Führungskräfte erhöhen? Aus meinen eigenen Erfahrungen als Diversity Manager in einem internationalen Unternehmen weiß ich, dass dieses Argument häufig von Männern gezogen wird, die sich nicht als Unterstützer des Themas auszeichnen. Das ist von meiner Seite kein Vorwurf, sondern eine Feststellung. Ich kann verstehen, dass mehr Frauen in Führungspositionen für jeden einzelnen Manager auch bedeuten, dass die Konkurrenz größer wird. Dies gilt es zu verhindern. Daneben mögen noch viele unbewusste Ängste mitspielen, die eine Führungskraft zum Verhinderer von mehr Vielalt werden lassen.

Der FOCUS rühmt sich also eine niveaulose Karikatur abzudrucken, die eine andere Zeitung bereits abgelehnt hat. Niveaulos aus meiner Sicht deswegen, weil die Ernsthaftigkeit des Themas von der Redaktion nicht verstanden wurde. Der demographische Wandel zwingt Unternehmen immer mehr sich Gedanken zu machen wie sich der Fachkräftemangel lindern lässt. Einer davon ist mehr Frauen an das Unternehmen zu binden und in Führungspositionen zu bringen. Dies nicht, weil sie Frau sind, sondern, weil Sie ausgezeichnete Talente sind.

2) Wer schon einmal im Bekannten- oder Kollegenkreis mitbekommen hat wie eine Kollegin oder ein Kollege feststellt, dass ihr/sein Körper nicht zur tatsächlichen geschlechtlichen Identität passt, der kann so einen Witz nicht verstehen. Es ist immer ein sehr langer und teilweise sehr schmerzhafter Prozess, den Trans*-Menschen durchlaufen, bis sie für sich selber wissen wo das Problem steckt, bis sie ihr Coming-Out und alle damit verbundenen gesellschaftlichen wie juristischen Herausforderungen gemeistert haben. Niemand würde einfach nur so, um bessere Karrierechancen zu haben, sich einer Geschlechtsumwandlung unterziehen. Dafür ist die Ablehnung von Trans*-Menschen in Unternehmen viel zu groß. Nur sehr selten werden diese Menschen von ihrem Arbeitgeber in ihrem Prozess unterstützt, sehr oft kündigen die Betroffenen, verschwinden für ein paar Monate und tauchen dann mit neuer Identität wieder auf.

Die Karikatur kann man durchaus unter dem Begriff „Pressefreiheit“ sehen. Man kann sie aber auch als menschenfeindlich bezeichnen. Diversity Management heißt nicht, dass man keine Witze mehr machen darf. Es stellt sich für mich nur die Frage, ob man einen Witz auf Kosten von anderen, in diesem Fall von Frauen und Trans*-Personen macht.

nach oben