zurück

Ist Schwulsein Konjunkturabhängig?

2. Februar 2010   |   LGBT

Neulich sagte mir ein Personalvorstand, dass er sich „bei der aktuellen Großwetterlage mit dem Thema (sexuelle Orientierung im Rahmen des Diversity Engagements seines Unternehmens) nicht in Verbindung bringen lassen möchte. Heißt das, dass Homosexualität konjunkturabhängig ist? Bekommen Lesben und Schwule nur die Unterstützung, wenn es der Wirtschaft gut geht?

Besagter Personalvorstand hat in einem anderen Bereich ein erfolgreiches Diversity Projekt, bei dem Mitarbeiter mit einem bestimmten Migrationshintergrund sich aktiv an der Rekrutierung von Bewerbern aus ihrer Community beteiligt haben und ein fantastisch gutes Mitarbeiternetzwerk entstehen haben lassen, durch welches über kurze Dienstwege Kollegen auf die unterschiedlichen Kundenprojekte vermittelt werden. Zusätzlich haben sie eine Strategie zur Marktbearbeitung ihrer Community ausgearbeitet und „zum Fliegen“ gebracht.

Für mich stellt sich die Frage, ob das Unternehmen tatsächlich Diversity Management betreibt, wenn Diversity nicht umfassend betrieben wird. Bei Diversity Management geht es um die Wertschätzung von Vielfalt, dass ich also sage, ja, du bist willkommen hier. Du brauchst dich nicht zu verstecken.

Es kostet einiges an Energie, wenn man nicht „ich selbst“ sein kann. Das klassische Beispiel ist immer, dass Lesben und Schwule meist nicht erzählen können, was sie am Wochenende gemacht haben. Das hört sich ja nach einer Kleinigkeit an. Es geht also nur darum, dass wir einmal in der Woche nicht alles erzählen können? Die heterosexuellen Kollegen machen ja auch keinen großen Aufruhr aus ihrer Sexualität, sagen sie immer. Und genau das ist es. Zum einen verwechseln sie Sexualität mit sexueller Orientierung. Und ihnen ist nicht bewusst wie oft sie meist ganz unbemerkt von zuhause, ihrer Familie erzählen:  Meine Frau muss heute wegen der Kinder zuhause bleiben, meine Tochter nimmt jetzt Klavierunterricht, wir planen unsere Hochzeit und so weiter… ach ja, da ist noch der Ehering, das Familienfoto auf dem Schreibtisch, das Bild der Tochter im Büro, lauter Kleinigkeiten, die immer wieder darauf hinweisen.

Hin und wieder werde ich von Bekannten und Kollegen darauf hingewiesen, ich solle nicht so ein Aufleben machen, weil ich nicht von zuhause erzählen kann, weil es doch so einfach sei Beruf und Privatleben zu trennen. Dann gebe ich der betreffenden Person die Aufgabe nur eine einzige Woche ganz bewusst Beruf und Privat zu trennen, d.h. nichts aus dem Privatleben zu erzählen, kein Foto aufzustellen, alle Bilder abzuhängen.

Der Deal an der Aufgabe ist, dass ich immer offen und frei erzählen kann, was sich in meinem Privatleben abspielt, wenn die Kollegin oder der Bekannte es nicht geschaft hat eine Woche lang Beruf und Privat nicht trennen konnte.

Die meisten meiner heterosexuellen Kollegen haben es nicht geschafft die Woche durchhalten zu können.

Aber der Business Case von Diversity hört natürlich hier noch gar nicht auf, er beginnt hier erst: Dadurch dass man sich nicht mehr verstecken müsst, kann man seine Energie voll und ganz auf die Entwicklung der eigenen Karriere konzentrieren. Das heißt aber auch, dass man ja gute Leistung bringt, was dem Unternehmen wieder nützt. Mehr Offenheit  führt zu mehr Motivation, mehr Motivation zu Begeisterung. Und wenn man begeistert in seine Netzwerken von seinem Arbeitgeber erzählt kommt es sehr wahrscheinlich auch zu zusätzlichem Geschäft für das Unternehmen.

Wenn sich da der Personalvorstand mal nicht verrechnet hat….

nach oben